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Der Wiedersacher

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Der Wiedersacher
Название: Der Wiedersacher
Автор: Hohlbein Wolfgang
Дата добавления: 16 январь 2020
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Der Wiedersacher - читать бесплатно онлайн , автор Hohlbein Wolfgang

Auf der Suche nach einer Tankstelle sto?en Brenner und Astrid auf ein seltsames, uraltes Kloster, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Doch allzuschnell holt sie die Gegenwart ein. ?ber ihren H?uptern bricht ein flammendes Inferno aus, als ein arabischer Terrorist und die US-Luftwaffe sich ein letztes Gefecht liefern. Danach geschehen Zeichen und Wunder: Menschen, die Brenner vergl?hen sah, sind noch am Leben, und ein unheimlicher Priester enth?llt ihm die unglaubliche Kunde, da? das Ende der Welt angebrochen sei und der Widersacher nun auf Erden wandle.

"Mit diesem neuen Roman wird Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein seine Fan-Gemeinde sicher noch vergr??ern k?nnen. Die irrwitzige Mischung aus Spannung, Fantasy und Horror l??t den Leser eintauchen in eine atemberaubene Lekt?re, von der man nicht so schnell los kommt." Berliner Morgenpost

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Am ehesten ähnelten sie vielleicht noch etwas zu klein geratenen Heuschrecken, nur daß ihre Glieder etwas kräftiger waren und wie die Körper mit winzigen schwarzbraunen Schuppen gepanzert. Aus den dreieckigen Schädeln, die über beunruhigend große und wissende Augen verfügten, wuchsen kräftige Beißzangen, und der hintereTeil des Körpers war nach oben gebogen und endeten in einem nadelspitzen Stachel, was den Geschöpfen eine gewisse Ähnlichkeit mit kleinen gepanzerten Skorpionen verlieh.

»Dort! « Salid deutete nach vorne. »Sehen Sie doch! « Brenner riß seinen Blick mühsam von der Wand los und sah in die Richtung, in die Salids ausgestreckte Hand wies. Die Woge lebendig gewordener Dunkelheit näherte sich der Straßensperre, und die Bewegung war mittlerweile so heftig geworden, daß sie auch von dort aus sichtbar war. Einige Polizeibeamte bewegten sich zögernd auf die kriechenden Schatten zu, blieben aber fast sofort wieder stehen.

Die Bewegung der Insektenarmee hielt hingegen nicht inne. Sie glitt lautlos auf sie zu und schien dabei noch schneller zu werden. Brenner sah, wie einer der Polizeibeamten zusammenfuhr und plötzlich einen irren Veitstanz aufzuführen begann; ein anderer schrie auf und torkelte rückwärts gehend davon. »Großer Gott, nein!« flüsterte Brenner. »Bitte, nicht!«

Das letzte Wort ging im Peitschen eines Schusses unter, den einer der Beamten auf die heranwogende Insektenarmee abfeuerte. Die Kugel schlug Funken aus dem Asphalt, ohne die Geschöpfe nur im geringsten aufhalten zu können. Die Schwärze überflutete die Füße der Männer, schickte sich für einen Moment an, an ihren Beinen emporzukriechen, und Brenners Herz schien für die gleiche, unendlich kurze Zeitspanne auszusetzen. Ein furchtbares Bild stieg aus seiner Erinnerung empor: ein Gesicht, das sich in Schatten auflöste und dann einfach nicht mehr da war; Hände, deren Finger zu Skelettklauen wurden, ihres Fleisches und allen Lebens beraubt, im Bruchteil einer Sekunde. Es geschah wieder. Und diesmal waren keine barmherzigen Schatten da, die die Wahrheit vor ihm verbargen. Es geschah wieder, hier und jetzt, vor seinen Augen.

Dann zog sich die Dunkelheit zurück. Sein allerschlimmster Alptraum wurde nicht wahr. Die Männer schrien vor Furcht und Ekel, und auf der anderen Seite der Straßensperre brach im Bruchteil eines Augenblickes Panik aus, aber die Geschöpfe waren diesmal nicht gekommen, um zu töten. Brenner sah, wie einer der Beamten ausglitt und mit wild rudernden Armen in die brodelnde Masse zu seinen Füßen hineinfiel, aber er verschwand nicht darin, wie die Männer im Haus, sondern taumelte wieder auf die Füße und rannte schreiend weiter.

»Los! « brüllte Salid. »Lauft! «

Er sprang in die Höhe und rannte los, dicht gefolgt von Brenner und Johannes, die einfach blindlings hinter ihm herstürmten.

Brenner keuchte vor Ekel und Widerwillen, als er spürte, wie unter seinen Schritten zahllose winzige harte Körper auseinanderbarsten. DieTiere machten keine Anstalten, vor ihnen zu fliehen – und wohin auch? Was auf den ersten Blick wie der Straßenasphalt ausgesehen hatte, war in Wirklichkeit eine wabernde, kriechende Masse, in die sie bei jedem Schritt fast bis an die Knöchel einsanken und die sich in Wellen auf die Straßensperre und die fliehende Menschenmenge dahinter zubewegte – aber sie griffen Johannes, Salid und auch ihn nicht an. Trotzdem wäre es ihm fast lieber gewesen, sie hätten es getan. Der Gedanke, von diesen scheußlichen Geschöpfen attackiert zu werden, war entsetzlich, aber der, daß sie – warum auch immer – auf ihrer Seite standen, war noch hundertmal schlimmer. »Die Wagen!« schrie Salid. »Lauft zu den Wagen!«

Offenbar hatte er vor, einen der Streifenwagen zu stehlen, deren Besitzer sich der in kopfloser Panik davonstürmenden Menge angeschlossen hatte, aber die schwarze Woge erreichte sie lange vor ihnen, und was sich vorhin nur in Brenners Phantasie abgespielt hatte, das sah er jetzt wirklich. Es war viel undramatischer, als er erwartet hätte, und gerade deshalb noch viel schlimmer: Für nicht viel mehr als eine Sekunde war es, als ob die Fahrzeuge unter einer schwarzen, sacht vibrierenden Decke verborgen würden, eine zuckende Masse, die ihre Formen abgerundet und diffus nachbildete und dann weiterglitt. Was zurückblieb, das waren ausgehöhlte Wracks ohne Reifen, Polsterung und Armaturenbretter; ja, selbst ohne Lack. Die Metallkarossen schimmerten matt, als wären sie mit einem Sandstrahlgebläse behandelt worden. Bei zwei, drei Wagen lösten sich die Front-und Heckscheiben, als sie ihrer Gummidichtungen beraubt wurden, und zerbarsten auf der Straße.

»Verflucht!« Salid blieb stehen und sah sich wild um. Die wogende Insektenarmee floß um seine Füße wie glitzerndes hartes Wasser, aber er nahm sie jetzt gar nicht mehr zur Kenntnis; ein weiterer Beweis dafür, daß seine Rede vorhin nichts als eine Schutzbehauptung gewesen war. Er machte einen Schritt zur Seite, blieb wieder stehen und drehte sich einmal im Kreis. Sein Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt, vor der Brenner erschrak. Schließlich rannte er weiter, flankte nahezu ansatzlos über einen der quergestellten Polizeiwagen hinweg und gestikulierte Brenner und Johannes ungeduldig zu, dasselbe zu tun.

Brenner folgte ihm, wesentlich weniger elegant, trotzdem aber fast ebenso schnell, während Johannes nicht einmal den Versuch machte, das Hindernis zu überwinden. Er stand einfach da und starrte ihn an. Seine Augen waren leer.

»Verdammt noch mal, worauf warten Sie?« fauchte Salid. »Sie – «

Brenner brachte ihn mit einer Geste zum Verstummen. Ein neues, auf eine schwer zu definierende Weise vielleicht noch schlimmeres Gefühl von Furcht breitete sich in ihm aus, als er in Johannes' Gesicht blickte. Eigentlich war es das erste Mal, daß er Johannes bewußt ansah, seit sie das Haus verlassen hatten. Johannes' Augen waren nicht wirklich leer. Es war noch etwas darin, aber Brenner bezweifelte plötzlich, ob es Leben war. Und er begriff im gleichen Moment, daß er nicht der einzige war, der Salid nicht wirklich aus freien Stücken folgte.

Wie hatte er nur so blind sein können? Hatte er wirklich geglaubt, nur er wäre mit dem Schlimmsten konfrontiert worden, was er sich vorstellen konnte? Vermutlich war er, verglichen mit dem jungen Geistlichen, noch gut dran. Sein Leben war in den letzten Stunden unwiderruflich zu einem Scherbenhaufen geworden, den keine Macht der Welt wieder kitten konnte, aber das war nichts gegen das, was Johannes durchmachen mußte. Er hatte nicht das Schlimmste erlebt, was er sich vorzustellen imstande war: Er hatte das Schlimmste getan, wozu er imstande war.

Er hatte einen Menschen getötet.

Es spielte keine Rolle, ob es in Selbstverteidigung geschehen war, absichtlich oder fast ohne sein Zutun. Er hatte ein menschliches Leben ausgelöscht, für einen Mann wie ihn ein Verbrechen von so absurder Größe, daß Brenner das Entsetzen, das er spüren mußte, wahrscheinlich nicht einmal in Ansätzen nachempfinden konnte.

»Worauf warten Sie?« fragte Salid noch einmal. Er klang immer noch ungeduldig, aber auch ein wenig unsicher. Vielleicht wußte er nicht, was in Johannes vorging, aber er hätte schon blind sein müssen, um nicht zu sehen, daß etwas mit ihm geschah.

Brenner wiederholte seine abwehrende Geste, wandte sich ganz zu Johannes um und streckte ihm die Hand entgegen. Mehr als eine Sekunde verging, bis Johannes überhaupt auf die Bewegung reagierte. Er blinzelte, sah auf Brenners ausgestreckte Rechte hinab und deutete ein Kopfschütteln an; nicht in der Art einer Verneinung, sondern eher so, als wisse er nicht, was er mit der dargebotenen Hand überhaupt anfangen sollte.

»Kommen Sie«, sagte Brenner leise. »Ich helfe Ihnen.«

Johannes reagierte auch jetzt nicht sofort, und Brenner wäre nicht überrascht gewesen, hätte er einfach den Kopf geschüttelt und wäre davongelaufen; oder hätte gar nichts getan. Aber dann hob er zögernd die Hand und ergriff die Brenners. Unbeholfen, aber gehorsam – willenlos – kletterte er über die Kühlerhaube des Wagens hinweg, so daß sie ihren Weg fortsetzen konnten.

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