Schlaflos
Schlaflos читать книгу онлайн
Das Grauen kehrt nach Derry, Maine, zur?ck. Acht Jahre nach den in "Es" geschilderten Ereignissen, geschehen dort wieder seltsame Dinge. Ralph Roberts leidet zunehmend an Schlaflosigkeit und sieht pl?tzlich die K?pfe seiner Mitmenschen von einer bunten Aura umgeben.
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Gesichter? Ich bin nicht sicher, ob ich sie wiedererkennen könnte, wenn mir jemand eine Pistole an die Schläfe halten würde. Es ist fast, als wären sie gemacht worden, damit man sie wieder vergißt. Wenn sie immer noch kahl wären, sicher-kein Problem. Aber wenn sie Perücken trügen und säßen, so daß ich nicht sehen kann, wie klein sie sind? Vielleicht… die fehlenden Falten könnten sie verraten… aber andererseits, vielleicht auch nicht. Aber die Auren… diese grüngoldenen Auren, in denen rote Fünkchen tanzen… die würde ich überall erkennen. Aber etwas stimmt nicht damit, oder? Aber was?
Die Antwort fiel Ralph so plötzlich und mühelos ein, wie die beiden Wesen sichtbar geworden waren, als er endlich daran gedacht hatte, die Blende von den Linsen des Fernglases zu nehmen. Beide kleine Ärzte waren in strahlende Auren gehüllt… aber bei keinem war eine Ballonschnur von dem haarlosen Kopf in die Höhe geschwebt. Nicht einmal eine Spur davon.
Sie schlenderten mit der Sorglosigkeit von zwei guten Freunden beim Sonntagsspaziergang die Harris Avenue in Richtung Strawford Park hinunter. Kurz bevor sie aus dem hellen Lichtkreis der Straßenlaterne vor May Lochers Haus heraustraten, senkte Ralph das Fernglas ein wenig, damit er den Gegenstand in der rechten Hand von Doc Nr. 1 erkennen konnte. Es war kein Messer, wie er vermutet hatte, aber es war dennoch kein Gegenstand, den man gerne in den frühen Morgenstunden in den Händen eines fortgehenden Fremden sah.
Es handelte sich um eine lange Schere aus Edelstahl.
Das Gefühl, als würde er unbarmherzig auf den Schlund eines Tunnels zugeschoben werden, wo alle möglichen unangenehmen Sachen auf ihn warteten, hatte sich wieder eingestellt, nur wurde es jetzt von einem Gefühl der Panik begleitet, weil es schien, als hätte er den letzten, größten Schubs bekommen, während er schlief und von seiner toten Frau träumte. Etwas in Ralphs Inneren wollte vor Entsetzen aufschreien, und er begriff, wenn er nicht sofort etwas dagegen unternahm, würde er in Kürze wirklich laut schreien. Er machte die Augen zu, holte tief Luft und versuchte, sich bei jedem Atemzug ein anderes Nahrungsmittel vorzustellen: eine Tomate, eine Kartoffel, eine Eiswaffel, Rosenkohl. Dr. Jamal hatte Carolyn diese einfache Entspannungstechnik beigebracht, und sie hatte die Kopfschmerzen manchmal vertrieben, bevor sie richtig loslegen konnten; sogar in den letzten sechs Wochen, als der Tumor außer Kontrolle geraten war, hatte die Technik manchmal geholfen, und sie unterdrückte jetzt auch Ralphs Panik. Sein Herz schlug langsamer, und das Gefühl, als ob er schreien müßte, ließ nach.
Ralph atmete weiter tief durch und dachte (Apfel Birne Stück Zitronentorte) an Nahrungsmittel, während er vorsichtig die Abdeckung wieder auf das Fernglas schob. Seine Hände zitterten immer noch, aber nicht so sehr, daß er sie nicht benützen konnte. Als das Fernglas wieder in seinem Etui verstaut war, hob Ralph zaghaft den linken Arm und betrachtete den Verband. In der Mitte befand sich ein roter Fleck so groß wie eine Aspirintablette, aber der schien nicht größer zu werden. Gut.
Es ist überhaupt nicht gut, Ralph.
Richtig, aber das würde ihm nicht bei der Klärung helfen, was genau geschehen war und was er deswegen unternehmen wollte. Der erste Schritt bestand darin, den gräßlichen Traum von Carolyn vorerst zu verdrängen und sich darüber klarzuwerden, was sich tatsächlich zugetragen hatte.
»Ich bin wach, seit ich auf den Boden gefallen bin«, sagte Ralph in das verlassene Zimmer. »Das weiß ich, und ich weiß, daß ich diese Männer gesehen habe.«
Ja. Er hatte sie wirklich gesehen, ebenso die grüngoldenen Auren um sie herum. Und damit war er nicht allein; Ed Deepneau hatte ebenfalls mindestens einen von ihnen gesehen. Ralph hätte seine Farm darauf gewettet, hätte er eine Farm zum Verwetten besessen. Es war freilich nicht sehr beruhigend, daß ein Paranoider aus der Nachbarschaft, der seine Ehefrau verprügelte, dieselben kleinen kahlen Typen sah.
Und die Auren, Ralph - hat er nicht auch etwas von Auren gesagt?
Nun, er hatte nicht gerade dieses Wort benutzt, aber Ralph war ziemlich sicher, daß er trotzdem mindestens zweimal von den Auren gesprochen hatte. Ralph, manchmal ist die Welt voller Farben. Das war im August gewesen, kurz bevor John Leydecker Ed wegen häuslicher Tätlichkeiten verhaftet hatte, einer Ordnungswidrigkeit. Dann, fast einen Monat später, als er Ralph angerufen hatte: Siehst du die Farben schon?
Zuerst die Farben, jetzt die kleinen kahlköpfigen Ärzte; mit Sicherheit konnte der Scharlachrote König nicht mehr weit sein. Und von alledem einmal abgesehen, was wollte er in der Sache unternehmen, deren Zeuge er gerade geworden war?
Die Antwort fiel ihm in einem unerwarteten, aber willkommenen Anflug von Erleuchtung ein. Das Thema, dachte er, war nicht sein Geisteszustand, nicht die Auren, nicht die kleinen kahlköpfigen Ärzte, sondern May Locher. Er hatte gerade die beiden Fremden mitten in der Nacht aus May Lochers Haus kommen gesehen… und einer hatte eine Schere in der Hand gehabt.
Ralph griff mit der Hand an dem Fernglas vorbei, nahm das Telefon und wählte 911.
»Hier spricht Officer Hagen.« Eine Frauenstimme. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Indem Sie genau zuhören und rasch handeln«, sagte Ralph kurz angebunden. Der Ausdruck benommener Unentschlossenheit, den er in diesem Sommer so häufig zur Schau gestellt hatte, war jetzt völlig verschwunden; er saß aufrecht in seinem Sessel, hatte das Telefon auf dem Schoß, und sah nicht mehr wie siebzig aus, sondern wie ein gesunder und kräftiger Fünfundfünfzigjähriger. »Dann können Sie vielleicht einer Frau das Leben retten.«
»Sir, würden Sie mir bitte Ihren Namen und -« »Bitte unterbrechen Sie mich nicht, Officer Hagen«, sagte der Mann, der sich nicht mehr an die letzten vier Ziffern der Telefonnummer des Kino-Centers erinnern konnte. »Ich bin vor kurzer Zeit aufgewacht, konnte nicht mehr einschlafen und beschloß, eine Weile aufzubleiben. Von meinem Wohnzimmer aus kann ich den oberen Abschnitt der Harris Avenue überblicken. Ich habe gerade gesehen -«
Hier geriet Ralph einen Sekundenbruchteil ins Stocken, dachte aber nicht darüber nach, was er gesehen hatte, sondern was er Officer Hagen erzählen sollte. Die Antwort kam ihm so schnell und mühelos wie der Entschluß, 911 anzurufen.
»Ich habe zwei Männer gesehen, die aus einem Haus auf der Straßenseite des Red Apple gekommen snd. Es gehört einer Frau namens May Locher. Ich buchstabiere: LO-C-H-E-R, mit einem L wie Lexington. Mrs. Locher ist schwer krank. Ich habe die beiden Männer vorher noch nie gesehen.« Er machte wieder eine Pause, diesmal jedoch absichtlich, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. »Einer hatte eine Schere in der Hand.«
»Adresse?« fragte Officer Hagen. Sie war vollkommen ruhig, aber Ralph spürte, daß eine Menge Lämpchen bei ihr angegangen waren.
»Das weiß ich nicht«, sagte er. »Schlagen Sie sie im Telefonbuch nach, Officer Hagen, oder sagen Sie den Beamten auf Streife, sie sollen einfach nach dem gelben Haus mit den rosa Verzierungen etwa einen halben Block vom Red Apple entfernt Ausschau halten. Wahrscheinlich müssen sie es mit einer Taschenlampe suchen, wegen dieser verfluchten orangefarbenen Straßenlaternen, aber sie werden es finden.«
»Ja, Sir, ich bin ganz sicher, aber ich brauche trotzdem Ihren Namen und Ihre Anschrift für unsere Unterla…«
Ralph legte den Hörer behutsam auf. Er betrachtete das Telefon fast eine ganze Minute und rechnete damit, daß es läuten würde. Als es stumm blieb, kam er zum Ergebnis, daß sie entweder nicht über die raffinierten Geräte verfügten, mit denen man einen Telefonanruf zurückverfolgen konnte, wie man sie in True-Crime-Sendungen im Fernsehen immer sah, oder sie waren nicht eingeschaltet gewesen. Das war gut. Es löste nicht das Problem, was er tun oder sagen sollte, wenn sie May Locher in Fetzen aus ihrem scheußlichen gelb-rosa Haus schleppten, aber es verschaffte ihm wenigstens etwas Zeit zum Nachdenken.
