Schlaflos
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Das Grauen kehrt nach Derry, Maine, zur?ck. Acht Jahre nach den in "Es" geschilderten Ereignissen, geschehen dort wieder seltsame Dinge. Ralph Roberts leidet zunehmend an Schlaflosigkeit und sieht pl?tzlich die K?pfe seiner Mitmenschen von einer bunten Aura umgeben.
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Da fiel ihm etwas ein, das gleichzeitig die Wut zusammenfaßte und rechtfertigte, die er empfand, als er die beiden Glatzköpfe mit den dunklen, goldenen Augen und den fast blendend grellen Auren ansah. Er sah, wie er in den Hängeschrank über dem Küchentresen sah und nach der Instantsuppe suchte, während sein übermüdeter Verstand darauf beharrte, daß sie irgendwo da drinnen sein mußte. Er sah, wie er danach suchte, innehielt, weitersuchte. Er sah seinen Gesichtsausdruck - einen Ausdruck zerstreuter Verwirrung, den man ohne Schwierigkeit als leichten Fall geistiger Behinderung hätte deuten können, der aber nichts weiter als schlichte Erschöpfung war. Dann sah er, wie er die Hände sinken ließ und einfach nur dastand, als würde er darauf warten, daß das Päckchen von alleine herausgesprungen kam.
Erst jetzt, in diesem Augenblick, angesichts dieser Erinnerung, wurde ihm bewußt, wie schrecklich die letzten Monate gewesen waren. Zurückblickend waren sie, als sähe er in ein wüstes Land, das in trostlose Ocker-und Grautönen getaucht war.
[»Sie haben uns also zu dem Fahrstuhl gebracht… vielleicht war das aber auch nicht gut genug für unsresgleichen, und Sie haben uns einfach nur die Feuerleiter hinaufbugsiert. Und haben uns Stück für Stück daran gewöhnt, damit uns nicht die Tassen aus dem Schrank fallen, könnte ich mir denken. Sie mußten uns ja nur um den Schlaf bringen, bis wir halb verrückt waren. Lois Sohn und Schwiegertochter wollen sie in einen Freizeitpark für alte Menschen einweisen lassen, haben Sie das gewußt? Und mein Freund Bill McGovern findet, daß ich reif für Juniper Hill bin. Und derweil habt ihr kleinen Engel -«]
Klotho ließ eine Andeutung seines vorherigen Lächelns erkennen.
[Wir sind keine Engel, Ralph.]
[»Ralph, bitte, schrei sie nicht an.«]
Ja, er hatte geschrien, und zumindest ein Teil schien bis zu Faye durchgedrungen zu sein; er hatte das Schachbuch zugeklappt, bohrte nicht mehr in der Nase, saß kerzengerade auf seinem Stuhl und sah sich nervös in dem Zimmer um.
Ralph sah von Klotho (der einen Schritt zurückwich und den Rest seines Lächelns verlor) zu Lachesis.
[»Ihr Freund sagt, ihr wärt die Engel nicht. Und wo sind sie dann? Spielen sie sechs oder acht Stockwerke weiter oben Poker? Und ich vermute, Gott sitzt im Penthouse, und der Teufel schaufelt Kohlen im Heizungskeller.«]
Keine Antwort. Klotho und Lachesis sahen sich zweifelnd an. Lois zupfte an Ralphs Ärmel, aber er beachtete sie nicht.
[»Also, Jungs, was sollen wir tun? Eure kleine kahlköpfige Version von Hannibal Lecter aufspüren und ihm das Skalpell wegnehmen? Nun, ihr könnt mich mal.«]
Ralph hätte auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre hinausgegangen (er hatte eine Menge Filme gesehen und wußte, wie man einen guten Abgang inszenierte), aber Lois brach in Tränen aus, und das hielt ihn zurück. Unter dem Blick bestürzter Zurechtweisung aus ihren Augen bereute er seinen Gefühlsausbruch zumindest ein wenig. Er legte den Arm um Lois’ Schultern und sah die beiden kahlköpfigen Männer trotzig an.
Diese wechselten wieder einen Blick, und etwas - eine Form der Kommunikation, die seine und Lois’ Fähigkeit, zu hören oder zu verstehen, gerade überstieg - wurde zwischen ihnen ausgetauscht. Als Lachesis sich wieder zu ihnen umdrehte, lächelte er… aber seine Augen waren ernst.
[Ich begreife Ihren Zorn, Ralph, aber er ist nicht gerechtfertigt. Das glauben Sie jetzt nicht, aber vielleicht später einmal. Vorerst jedoch müssen wir Ihre Fragen und Antworten - soweit wir Antworten geben können - beiseite stellen.]
[»Warum?«]
[Weil für diesen Mann die Zeit des Durchschneidens gekommen ist. Seht genau hin, auf daß ihr lernet und wisset]
Klotho ging zur linken Seite des Betts. Lachesis näherte sich ihm von rechts und ging dabei durch Faye Chapin. Faye bückte sich, weil ihn ein plötzlicher Hustenanfall schüttelte, und als der nachgelassen hatte, schlug er das Schachbuch wieder auf.
[»Ralph, ich kann nicht zusehen! Ich kann nicht zusehen, wie sie das tun!«]
Aber Ralph glaubte, daß sie es dennoch tun würde. Er glaubte, daß sie es beide tun würden. Er drückte sie fest an sich, als sich Klotho und Lachesis über Jimmy V. beugten. Liebe und Anteilnahme und Sanftheit sprachen aus ihren Gesichtern; Ralph mußte an die Gesichter denken, die er einmal auf einem Gemälde von Rembrandt gesehen hatte - Die Nachtwache hatte es geheißen, soweit er wußte. Ihre Auren überlappten sich und verschmolzen über der Brust von Jimmy. Und plötzlich schlug der Mann im Bett die Augen auf. Er sah einen Moment mit vagem und verwirrtem Gesichtsausdruck durch die beiden kahlköpfigen Ärzte hindurch zur Decke, dann glitt sein Blick zur Tür, und er lächelte.
»He! Seht mal, wer da ist!« rief Jimmy V. aus. Seine Stimme klang eingerostet und erstickt, aber Ralph konnte immer noch den South Bostoner Intellektuellenslang hören, bei dem wer zu wahr wurde. Faye zuckte zusammen. Das Schachbuch fiel zu Boden. Er beugte sich nach vorne und ergriff Jimmys Hand, aber Jimmy beachtete ihn gar nicht, sondern sah durch das Zimmer zu Ralph und Lois. »Ralph Roberts! Und Paul Chasses Frau! Sag, Ralphie, erinnerst du dich noch an den Tag, als wir zu der Zeltmission wollten, um zuzuhören, wie sie >Amazing Grace< singen?«
[»Ich erinnere mich, Jimmy.«]
Jimmy schien zu lächeln, dann schloß er wieder die Augen. Lachesis legte dem sterbenden Mann behutsam die Hände auf die Wangen und rückte seinen Kopf ein wenig zurecht, wie ein Barbier, der dabei ist, einen Kunden zu rasieren. Im selben Augenblick beugte sich Klotho noch dichter über ihn, klappte die Schere auf und schob sie nach vorne, so daß sich die schwarze Ballonschnur von Jimmy V. zwischen den Scherenblättern befand. Als Klotho die Schere zuklappte, beugte sich Lachesis vor und gab Jimmy einen Kuß auf die Stirn.
[Geh in Frieden, mein Freund.]
Ein leises, unbedeutendes Schnipp! ertönte. Der Teil der Ballonschnur oberhalb der Schere schwebte zur Decke und verschwand. Das Leichentuch, das Jimmy V. einhüllte, wurde einen Augenblick grellweiß, dann erlosch es wie das von Rosalie am frühen Abend. Jimmy machte die Augen wieder auf und sah Faye an. Er lächelte, fand Ralph, und dann richtete er den Blick starr in die Ferne. Die Grübchen, die sich an seinen Mundwinkeln gebildet hatten, glätteten sich.
»Jimmy?« Faye schüttelte die Schulter von Jimmy V., wobei er mit der Hand durch Lachesis hindurchgreifen mußte. »Alles in Ordnung, Jimmy?… O Scheiße.«
Faye stand auf und verließ hastig das Zimmer.
Klotho: [Seht und begreift ihr, daß wir das, was wir tun, mit Liebe und Respekt tun l Daß wir de facto die Ärzte des letzten Stück Wegs sind? Es ist wichtig für unsere gegenseitigen Beziehungen, Ralph und Lois, daß ihr das versteht.]
[»Ja.«]
[»Ja.«]
Ralph hatte nicht die Absicht gehabt, irgend einem Satz der beiden zuzustimmen, aber dieser Begriff - die Ärzte des letzten Stück Wegs - schnitt sauber und mühelos durch seinen Zorn. Er klang aufrichtig. Sie hatten Jimmy V. aus einer Welt befreit, in der es nichts mehr für ihn gab außer Schmerzen. Ja, zweifellos hatten sie auch an einem grauen Tag mit Hagelschauern vor sieben Monaten mit Ralph in Zimmer 217 gestanden und Carolyn dieselbe Befreiung zuteil werden lassen. Und es stimmte auch, daß sie ihre Aufgabe offenbar voll Liebe und Respekt erfüllten - alle diesbezüglichen Zweifel waren ausgeräumt worden, als Lachesis Jimmy V. auf die Stirn geküßt hatte. Aber gaben Liebe und Respekt ihnen das Recht, ihn -und Lois ebenfalls - durch die Hölle und dann hinter einem übernatürlichen Wesen herzuschicken, das ausgerastet war? Gab es ihnen das Recht, auch nur zu denken, daß zwei gewöhnliche Menschen, beide nicht mehr jung, mit einer derartigen Kreatur fertigwerden konnten?
Lachesis: [Entfernen wir uns von hier. Bald werden viele Menschen auftauchen, und wir müssen miteinander reden.]
[»Haben wir eine andere Wahl?«]
