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Der Schwarm

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Der Schwarm
Название: Der Schwarm
Автор: Schatzing Frank
Дата добавления: 16 январь 2020
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Der Schwarm - читать бесплатно онлайн , автор Schatzing Frank

Ein Fischer verschwindet vor Peru, spurlos. Цlbohrexperten stoЯen in der norwegischen See auf merkwьrdige Organismen, die hunderte Quadratkilometer Meeresboden in Besitz genommen haben. Wдhrenddessen geht mit den Walen entlang der Kьste British Columbias eine unheimliche Verдnderung vor. Nichts von alledem scheint miteinander in Zusammenhang zu stehen. Doch Sigur Johanson, norwegischer Biologe und Schцngeist, glaubt nicht an Zufдlle. Auch der indianische Walforscher Leon Anawak gelangt zu einer beunruhigenden Erkenntnis: Eine Katastrophe bahnt sich an. Doch wer oder was lцst sie aus? Wдhrend die Welt an den Abgrund gerдt, kommen die Wissenschaftler zusammen mit der britischen Journalistin Karen Weaver einer ungeheuerlichen Wahrheit auf die Spur.

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»Sehr löblich.«

Sahling grinste. »Für Fünfzehnjährige ist ein Hörsaal von einem Klassenzimmer nicht zu unterscheiden. Also sind wir mit denen durch das Institut gestreift, und sie durften überall reinschauen und fast alles anpacken. Die Lithothek haben wir bis zuletzt aufgespart. Gerhard erzählt ihnen dort die Gutenachtgeschichte.«

»Worüber?«

»Methanhydrate.«

Sahling öffnete eine Schiebetür. Auf der anderen Seite setzte sich die Brücke fort. Sie traten hinaus. Die Lithothek besaß die Größe eines mittleren Flugzeughangars. Zum Quai hin war das Gebäude offen, und Johanson erhaschte einen Blick auf ein ziemlich großes Schiff. Kisten und Gerätschaften stapelten sich entlang der Wände.

»Hier werden Proben zwischengelagert«, erklärte Sahling. »Vornehmlich Sedimentkerne und Seewasserproben. Archivierte Erdgeschichte. Wir sind angemessen stolz drauf.«

Er hob kurz die Hand. Unten grüßte ein hoch gewachsener Mann zurück und widmete sich wieder einer Gruppe Halbwüchsiger, die sich neugierig um ihn scharte. Johanson lehnte sich ans Brückengeländer und lauschte der Stimme, die zu ihnen heraufdrang.

»… einer der aufregendsten Momente, die wir je erlebt haben«, sagte Dr. Gerhard Bohrmann gerade. »Der Greifer hatte in beinahe achthundert Metern Tiefe einige Zentner Sediment herausgebrochen, durchsetzt mit einer weißen Substanz, und schüttete die Brocken aufs Arbeitsdeck. Beziehungsweise das, was oben noch ankam.«

»Das war im Pazifik«, erläuterte Sahling leise. »1996 auf der Sonne, etwa hundert Kilometer vor Oregon.«

»Wir mussten schnell sein. Methanhydrat ist nämlich ein ziemlich instabiles und unzuverlässiges Zeug«, fuhr Bohrmann fort. »Ich schätze, ihr wisst nicht sonderlich viel darüber, also werde ich versuchen, es so zu erklären, dass keiner vor Langeweile einschläft. — Was geschieht tief unten im Meer? Unter anderem entsteht Gas. Biogenes Methan zum Beispiel bildet sich seit Jahrmillionen beim Abbau von Tier— und Pflanzenresten, wenn Algen, Plankton und Fische verwesen und jede Menge organischer Kohlenstoff freigesetzt wird. Den Abbau besorgen vorzugsweise Bakterien. Nun ist es so, dass in der Tiefsee niedrige Temperaturen und ein außerordentlicher Druck herrschen. Alle zehn Meter nimmt der Wasserdruck um ein Bar zu. Flaschentaucher kommen 50 Meter tief, maximal 70, aber das war’s dann auch. Angeblich liegt der Tieftauchrekord mit Pressluft bei 140 Metern, was ich niemandem empfehlen würde. Solche Versuche enden meist tödlich. Und wir reden hier von Tiefen ab fünfhundert Metern! Da geht die Physik ganz eigene Wege. Wenn zum Beispiel Methan in großen Konzentrationen aus dem Erdinnern zum Meeresboden aufsteigt, geschieht dort unten etwas Außergewöhnliches. Das Gas verbindet sich mit dem kalten Tiefenwasser zu Eis. Ihr werdet in Zeitungen hin und wieder den Begriff Methaneis lesen. Das ist nicht ganz korrekt. Es ist nicht das Methan, das gefriert, sondern das umgebende Wasser. Die Wassermoleküle kristallisieren zu winzigen, käfigartigen Strukturen, in deren Innern sich jeweils ein Methanmolekül befindet. Sie komprimieren das Gas und drücken es auf kleinstem Raum zusammen.«

Einer der Schüler hob zögerlich die Hand.

»Du hast eine Frage?«

Der Junge druckste herum.

»Fünfhundert Meter sind nicht gerade tief, oder?«, sagte er schließlich.

Bohrmann betrachtete ihn einige Sekunden schweigend.

»Du bist nicht sonderlich beeindruckt, was?«

»Doch, schon. Ich dachte nur … na ja, Jacques Picard war mit einem Tauchboot im Marianengraben, und das war elftausend Meter tief. Ich meine, das ist wirklich tief! Warum kommt dieses Eis da unten nicht vor?«

»Hut ab, du hast die Geschichte der bemannten Tauchfahrt studiert. Was glaubst du denn persönlich?«

Der Junge überlegte. Er zog die Schultern hoch.

»Ist doch klar«, antwortete ein Mädchen an seiner statt.

»Da unten ist zu wenig Leben. Ab tausend Meter Wassertiefe wird zu wenig organische Materie zersetzt, also entsteht zu wenig Methan.«

»Ich wusste es«, murmelte Johanson oben auf der Brücke. »Frauen sind einfach intelligenter.«

Bohrmann lächelte das Mädchen freundlich an. »Stimmt. Es gibt natürlich immer Ausnahmen. Und tatsächlich findet man auch in tieferen Bereichen Methanhydrat, selbst noch in drei Kilometern Tiefe, wenn Sedimente mit sehr hohem Gehalt an organischem Material dort eingespült werden. Das ist in manchen Randmeeren der Fall. Übrigens kartieren wir Hydratkonzentrationen auch in sehr flachem Wasser, wo der Druck eigentlich nicht ausreicht. Aber solange die Temperatur niedrig genug ist, kommt es trotzdem zur Hydratbildung, zum Beispiel am Polarschelf.« Er wandte sich wieder an alle. »Dennoch — die Hauptvorkommen lagern in den Kontinentalabhängen zwischen 500 und 1000 Metern. Komprimiertes Methan. Vor der nordamerikanischen Küste haben wir kürzlich ein unterseeisches Gebirge untersucht, einen halben Kilometer hoch und fünfundzwanzig Kilometer lang, und es besteht zum überwiegenden Teil aus Methanhydrat. Manches davon sitzt tief im Gestein, anderes liegt offen am Meeresboden. Inzwischen wissen wir dass die Ozeane voll davon sind, aber wir wissen noch mehr: Die unterseeischen Kontinentalabhänge werden von Methanhydrat überhaupt erst zusammengehalten! Das Zeug ist wie Mörtel. Würde man sich das ganze Hydrat auf einen Schlag wegdenken, dann wären die Kontinentalabhänge löchrig wie Schweizer Käse. Mit dem Unterschied, dass Schweizer Käse auch mit Löchern seine Form behält. Die Abhänge hingegen würden in sich zusammenstürzen!« Bohrmann ließ die Worte einige Sekunden wirken. »Das ist aber noch nicht alles. Methanhydrate sind, wie gesagt, nur stabil unter sehr hohem Druck in Verbindung mit besonders niedrigen Temperaturen. Das heißt, nicht alles Methangas gefriert, sondern nur die oberen Schichten. Denn zum Erdinnern hin nehmen die Temperaturen ja wieder zu, und tief im Sediment sitzen große Methanblasen, die nicht gefrieren. Sie bleiben gasförmig. Aber weil die gefrorene Schicht wie ein Deckel obendrauf liegt, können sie nicht entweichen.«

»Ich habe etwas darüber gelesen«, sagte das Mädchen. »Die Japaner versuchen es abzubauen, richtig?«

Johanson war belustigt. Er fühlte sich an seine Schulzeit erinnert. In jeder Klasse gab es einen, der exzeptionell gut vorbereitet war und immer schon die Hälfte von dem wusste, was er eigentlich lernen sollte. Er schätzte, dass dieses Mädchen nicht sonderlich beliebt war.

»Nicht nur die Japaner«, erwiderte Bohrmann. »Alle Welt würde es am liebsten abbauen. Aber das gestaltet sich schwierig. Als wir die Hydratbrocken aus knapp achthundert Metern nach oben holten, lösten sich auf halber Höhe Gasblasen aus den Brocken. Was wir schließlich an Deck brachten, war immer noch viel, aber nur noch ein Teil dessen, was wir unten rausgebrochen hatten. Ich sagte ja, Methanhydrat wird schnell instabil. Würde man die Wassertemperatur in fünfhundert Meter Tiefe nur um ein Grad erhöhen, könnte es geschehen, dass alles dortige Hydrat auf einen Schlag instabil würde. Also haben wir schnell zugegriffen und die Brocken in Tanks mit flüssigem Stickstoff gepackt, wo sie stabil bleiben. Kommt mal ein Stück hier rüber.«

»Er macht das gut«, bemerkte Johanson, während Bohrmann mit der Schülergruppe zu einem Regal aus grob geschweißten Stahlrahmen ging. Behältnisse unterschiedlicher Größe stapelten sich darin. Zuunterst standen vier silberfarbene, tankartige Gebilde. Bohrmann wuchtete eines davon hervor, streifte Handschuhe über und öffnete den Deckel. Es zischte. Weißer Dampf trat aus dem Innern. Einige der Schüler traten unwillkürlich einen Schritt zurück.

»Das ist nur der Stickstoff.« Bohrmann griff in den Behälter und förderte ein faustgroßes Stück zutage, das aussah wie ein verschmutzter Eisklumpen. Nach wenigen Sekunden begann der Klumpen leise zu zischen und zu knacken. Er winkte das Mädchen zu sich heran, brach ein Stück von dem Klumpen ab und reichte es ihr.

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